FORUMSBLOG
Wagnis Demokratie
Gedanken und Anregungen zum EFM-Jahresthema 2024
Forumsblog 12-2024: Weltbürgertum als demokratische Lebensform
Wie lässt sich Demokratie grenzübergreifend ohne Nationalismen, Ein- und Ausgrenzungen leben?
Eine Antwort auf diese Frage ist der Begriff des Weltbürgertums bzw. des Kosmopolitismus, eine philosophisch-politische Sichtweise, die den ganzen Erdkreis als Heimat betrachtet. Im Folgenden wird dieses Modell thesenartig daraufhin befragt, welchen Beitrag es zur Anpassung und Aktualisierung demokratischer Konzepte leisten kann. Dafür werden jeweils überzeugte Weltbürger aus unterschiedlichen Jahrhunderten charakterisiert. Dabei zeigt sich die zentrale Rolle des 18. Jahrhunderts und seiner Idee der universellen (europäischen) Gelehrtenrepublik als Bindeglied zwischen der Antike (Wieland als „deutscher Diogenes“) und den Folgejahrhunderten (vom Welt- zum Staatsbürger) .
These 1 Diogenes oder: die Welt in der Tonne
Seit der Antike wird nach Alternativen zum Nationalismus bzw. Provinzialismus gesucht, die partikularistische und universelle Vorstellungen miteinander verknüpfen.
Dabei stand zunächst die individuelle Sicht im Mittelpunkt wie sie z. B. Diogenes von Sinope verkörperte, der sich nach Auskunft von Diogenes Laertius (VL 63) als erster als Weltbürger ausgab.
Wie Arrian, Statthalter von Kappadozien unter Kaiser Hadrian und Epiktet-Schüler, in seiner Biografie über Diogenes erzählt, zeichnete sich dieser Kyniker zudem durch Liebe zur Unabhängigkeit, Freimütigkeit, Stärke der Seele, Güte des Herzens aus, kurzum durch die Gesinnungen eines Menschenfreundes und Weltbürgers.
Auch der Philosoph Demonax war nach Angaben des Philosophen Lucian von Diogenes sehr angetan, und bezeichnet sich als Verehrer des Sokrates, und Bewunderer des Diogenes.
Im Blick auf sein Weltbürgertum geht aus Diogenes' Schriften hervor, dass er Kontakt mit Korinth, Athen, Sparta, Theben, Megara, Sicyon und anderen Städten Griechenlands hatte, aber diesen Metropolen sein Sinope bei weitem vorzog. Entscheidend ist jedoch, dass er sich nicht über spezifische Daten („Schmuckhüllen der Verworfenheit“), sondern über das Allgemein-Menschliche/ Menschsein definierte, weil sich die einzig wahre Staatsordnung nur im (Einklang mit dem) Weltall finde. Entsprechend teilt er über seine Philosophie mit, dass er – im Gegensatz zu seinen Kritikern – seine Theorie bereits 20 Jahre lang in die Praxis umgesetzt habe, die im Kern darin bestehe, sehr bequem in einer Tonne zu wohnen, von Bohnen und Wurzeln zu leben, seinen Nektar, in Ermanglung eines Bechers, mit der hohlen Hand aus dem nächsten Brunnen zu schöpfen und so zum unschädlichsten, unbedeutendsten Menschen der Welt zu werden, auch wenn er unbequeme Wahrheiten verkünde. Er brauche schließlich nicht mehr als Luft und Sonnenschein und die Möglichkeit, sich unter einen Baum hinzulegen, den vielleicht sein Großvater gepflanzt habe.
Die Idee des Weltbürgertums der kynischen und stoischen Philosophen ermutigt dazu, den gleichen und unbedingten Wert und die Würde jedes Menschen anzuerkennen. Eine Schlüsselszene dafür ist sicherlich die Begegnung mit Alexander dem Großen, der Diogenes jeden Wunsch erfüllen wollte und nur zu hören bekam: „Geh mir aus der Sonne.“
Auf diese Weise wurde er zum Stoiker-Modell gemäß dem Ennius-Zitat bei Cicero:
„Ein Mann, der Irrenden gar freundlich zeigt den Weg, der zündet gleichsam sich ein Licht vom eigenen Lichte an. Dies leuchtet ihm, wenngleich er’s jenen hat entfacht.“
Diese Forderung, dem Gemeinwohl zu nützen und Schaden zu vermeiden, umschließt für Cicero sowohl Pflichten der Gerechtigkeit wie auch der materiellen Hilfe, entsprechend dem Gebot der Menschlichkeit.
Für Christoph Martin Wieland, der sich im 18. Jahrhundert intensiv mit Diogenes und seiner Lehre aber auch mit dem von diesem begründeten Kosmopolitismus befasste und daher als „deutscher Diogenes“ galt, heißt Weltbürgertum im Sinne des Diogenes, sich als Bürger, als mitwirkendes und mitbestimmendes Glied der Menschheit zu begreifen, indem eine äußerliche und innerliche Haltung der Unabhängigkeit entsteht, überall sich zuhause zu fühlen, ganz gleich, wie diese Behausung gestaltet ist. Wie Diogenes selbst bekundet, entwickelt sich eine solche Haltung nicht spontan, sondern ist Ergebnis einer langen Selbstschulung, zu der er mit seinem Beispiel anregt: Die Einübung in positiv verstandenen Verzicht führt zu einer inneren und äußeren Unabhängigkeit und Horizonterweiterung.
Christoph Martin Wieland: Nachlass des Diogenes von Sinope, Hildesheim 1986.
Martha Nussbaum: Kosmopolitismus. Darmstadt 2020.
These 2 Wieland oder: Weltenbürger als Ordensritter
Der Weimarer Prinzenerzieher Christoph Martin Wieland, den die Franzosen euphemistisch den deutschen Voltaire nannten, glaubte, nur der Weltbürger könne ein guter Bürger sein, weil er allein die Kultur, Aufklärung und Veredelung des Menschengeschlechts bewirken könne, deren Frucht die öffentliche und allgemeine Glückseligkeit sei. Er verdeutlichte dies, indem er eine entsprechende Gemeinschaft in seinem Roman Die Abderiten beschrieb. Aus der Perspektive von Kosmopoliten kritisiert er darin die gesellschaftlichen Zustände seiner Zeit und die Kosmopoliten als eine Art den Freimaurern ähnliche Bruderschaft, die bei der ersten Begegnung Freundschaft schließen, weil sie alle Völker des Erdbodens als ebenso viele Zweige einer einzigen Familie, und das Universum als einen Staat betrachten, worin sie mit unzähligen andern vernünftigen Wesen Bürger sind, um unter allgemeinen Naturgesetzen die Vollkommenheit des Ganzen zu befördern, indem jedes nach seiner besonderen Art und Weise für seinen eigenen Wohlstand geschäftig ist.
1788, 14 Jahre später und ein Jahr vor der französischen Revolution, publizierte der zu diesem Zeitpunkt fünfundfünfzig Jahre alte, auf dem Zenit seines Schaffens und Ruhmes stehende Autor in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift Der Teutsche Merkur einen Aufsatz, der für den Zusammenhang von Aufklärung und Kosmopolitismus beispielhaft ist. Er trägt den ironischen Titel Das Geheimnis des Kosmopolitenordens und ist vermutlich durch seine Kenntnisse des Freimaurerordens inspiriert. Für Wieland ist der „Kosmopoliten-Orden“ eine der Öffentlichkeit verborgene geheime Gesellschaft ruhiger Bürger, die sich, auch wenn sie mit dem gegenwärtigen Zustande des Gemeinwesens nicht zufrieden seien, sich von Aufruhr und ähnlichem fern hielten.
Am von seinem Zeitgenossen Christian Friedrich Daniel Schubart in dessen Deutschen Chronik als Diogenes-Kenner („deutscher Diogenes“) gepriesene Wieland lässt sich die Orientierung an antiken Modellen ablesen, die sich später auch bei Lion Feuchtwanger zeigt, der mit seiner Darstellung des Flavius Josephus und dessen Jüdischem Krieg einen weltbürgerlichen Archetyp und Ideenträger seines Kosmopolitismus schuf.
Wenn Wieland betont, den hohen Namen des Weltbürgers verdiene nur derjenige, „der durch seine Grundsätze und Gesinnungen und ihre Zusammenstimmung mit der Natur tauglich sei, in seinem angewiesenen Kreise zum Besten der großen Stadt Gottes mitzuwirken“, scheint nicht nur das Vorbild Diogenes durch, sondern auch das aufklärerische Anliegen, das kosmopolitische Ideal im eigenen Umfeld zu verwirklichen.
Wielands Vorstellung eines Kosmopolitenordens lädt somit dazu ein, im Kleinen ähnliche Experimente zu probieren: Wie lassen sich die geschilderten Ideale in der eigenen Gemeinschaft (Familie, peer-group, Gemeinde) im Sinne eines kommunitären (klösterlichen) Askententums verwirklichen?
Kosmopolitismus und Aufklärung sind also sicher kein Gegensatz. Sie sind aber auch nicht identisch. Viele Selbstverständlichkeiten des klassischen aufklärerischen Kosmopolitismus, etwa die Überzeugung vom Vorrang und von der Vorherrschaft Europas, kann ein heutiger Kosmopolitismus nicht mehr teilen. Andere Überzeugungen der Aufklärung sind zumindest zu nuancieren, um mit einer gegenwärtigen Sorge für die Welt noch vereinbar zu sein, so etwa der Glaube an eine Analogie oder sogar Identität von Natur und Moral oder aber der Fortschrittsglaube, besonders der Glaube daran, dass jeder Fortschritt, etwa technischer Art, ein Vorteil sei.
Wieland, Christoph Martin: »Das Geheimnis des Kosmopolitenordens«, in: ders.
(Hrsg.): Christoph Martin Wielands sämtliche Werke, Bd. 20, Leipzig 1797
Peter Coulmas, Weltbürger, Reinbeck 1990
Weidner, Stefan: Aufklärung und Kosmopolitismus. Ein Gegensatz? In: Navigationen – Zeitschrift für Medien- und Kulturwissenschaften. Neue Rechte und Universität, Jg. 19 (2019), Nr. 2, S. 121–134.
These 3 Lessing oder: Weltbürgertum als Erziehungsziel
Für Lessing und Herder war die Erziehung des Menschen zur Weltverantwortung zentral. Dabei konnten sie sich auf Modelle wie Lamprechts Wochenschrift Der Weltbürger (1741/42) oder Goldsmiths satirischen Essay The Citizen of the World (1762) stützen. Bei Lessing zeigte sich das in seinem Theater-Erstling Der junge Gelehrte (1748), der – in seinem „Vaterland“ verkannt – den Ehrentitel „Kosmopolit” für sich beansprucht und, ein Mitglied der Republik der Gelehrten zu sein im Sinne der République des Lettres von Pierre Bayle (1684). Angesichts von antipreußischen Unterstellungen verdächtigte er sich selbst, entweder „einer der unparteiischsten Menschen von der Welt, oder ein grausamer Sophist zu sein.“ In einem Brief an den Halberstädter Kanonikus Gleim vom 16. Dezember 1758 schreibt Lessing: „Vielleicht zwar ist auch der Patriot bei mir nicht ganz erstickt, obgleich das Lob eines eifrigen Patrioten, nach meiner Denkungsart, das allerletzte ist, wonach ich geizen würde; des Patrioten nämlich, der mich vergessen lehrt, dass ich ein Weltbürger sein sollte.”
In seinen frühen Werken zeigt sich, dass das von Lessing sonst so sparsam apostrophierte Weltbürger-Prinzip nicht primär politisch gewendet ist, sondern zurückbezogen auf den Werthorizont der „res publica litteraria“ und ihr bleibendes Anspruchsdenken, wie es sich in Lessings späten Werken Die Erziehung des Menschengeschlechts und Nathan der Weise zeigt: Stand, Religion, Nation sind zu überschreiten in Richtung auf ein Vaterland des Menschengeschlechts, auf eine universale Familie.
Damit ist er seinem Zeitgenossen Dominikus von Brentano verwandt, der sich auf dem Titelblatt der Neuesten Weltbegebenheiten als „Weltbürger“ bezeichnet. Nachrichtenberichterstattung sollte unabhängig von der Kirche erfolgen, es sollten nur wichtige und wahre Meldungen erfolgen, die der Aufklärung der Menschheit dienen.
Wie sehr die Aufklärung das vom Nationalstaatsgedanken geprägte 19. und 20. Jahrhundert geprägt hat, der die Weltbürgeridee in Studierstuben zwang (Fontane), zeigt sich z. B. an Christian Daniel Friedrich Schubarts Gedicht über Patriot und Weltbürger sowie an Friedrich Meinecke, der 1907 den Nationalstaat aus dem Weltbürgertum begründete und auf die zentrale Bedeutung von Siebenjährigem Krieg und Französischer Revolution für diesen Prozess hinwies.
Auch Stefan Zweig, der sich als Weltbürger nach Verlust seines Passes ohnmächtig fühlte, zeigt den empathischen Idealismus der Weltbürgeridee, die der aggressiv nationalistischen Wirklichkeit immer wieder zum Opfer fällt.
Lessing und seine Zeitgenossen ermutigen somit dazu, sich zu einem Menschen und Weltbürger zu bilden und sich dabei zu orientieren an der Verantwortung für seine Lebenswelt, den Menschenrechten und Beheimatung auf dem gesamten Planeten.
Albrecht, Andrea: Kosmopolitismus. Weltbürgerdiskurse in Literatur, Philosophie und Publizistik um 1800, Berlin 2005.
Barner, Wilfried: Patriotismus und Kosmopolitismus bei Lessing während des Siebenjährigen Krieges. In: Revue d’Allemagne et des pays de langue allemande, tome 18 n°4, octobre-décembre 1986. Cosmopolitisme, patriotisme et xénophobie en Allemagne au XVIIIe siècle. pp. 612-623;
Thielking, Sigrid, Weltbürgertum als kosmopolitische Ideen in Literatur und politischer Publizistik seit dem achtzehnten Jahrhundert, München 2000.
These 4 Dag Hammarskjöld oder: Weltbürgertum als Menschenrecht
Anknüpfend an Kant, der den Kosmopoliten als Garant für den „ewigen Frieden“ betrachtet hattte, und an Bertha von Suttner, die für die Überwindung der wachsenden nationalen Konfliktpotenziale durch eine Friedensunion aller Staaten und Schiedsgerichtsverträge zur Schlichtung von Gegensätzen kämpfte, hielt die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte 1948 erstmals den rechtlichen Aspekt von Kosmopolitismus fest: Alle Menschen als solche sind rechtswürdig, unabhängig von nationaler Zugehörigkeit und Staatsbürgerschaft.
Allerdings zeigte und zeigt sich in einigen Teilen der Welt wachsende Skepsis hinsichtlich der Gültigkeit dieser Normen, die sich in jüngster Zeit z. B. durch die Diskrepanz zwischen dem universalistischen Anspruch der Menschenrechte und dem Unvermögen Europas, diesen in der „Flüchtlingskrise“ 2015 umzusetzen, zeigt.
Der Kosmopolit Dag Hammarskjöld gehörte zu denen, die es verstanden, die Ideen des Kosmopolitismus in Kosmopolitik (Weltordnungspolitik) umzusetzen und alle Möglichkeiten eines Staatsmanns auszuschöpfen, der „nicht zwischen und nicht in, sondern über den Nationen steht“.
Hammarskjöld schreibt von einem Traum der Menschheit, sich als Individuum in diese Menschheit, das Menschsein zu verlieren – jenseits aller Glaubensfragen. Diesem Traum will er dienen und dafür kämpfen.
Als er einem nie ganz aufgeklärten Flugzeugabsturz in Afrika zum Opfer fiel, nahm der schwedische Botschafter posthum den Friedensnobelpreis für ihn entgegen und betonte in seiner Dankesrede:
„Mein Landsmann wurde zum Weltbürger. Er wurde von den Menschen, aus denen er stammte, als solcher angesehen. Aber an jenem kühlen Herbsttag, als die Blätter fielen und er in das Uppsala seiner Jugend zurückgebracht wurde, gehörte er wieder uns, er war wieder zu Hause. Schüchtern hatte er seine innere Welt bewahrt, aber in diesem Moment verschwand die Distanz und wir spürten, dass er uns sehr nahe kam.“
Durch seine Gedanken und Aktionen ermutigt Hammarskjöld dazu, sich ein angemessenes Projekt zu suchen, sich mit eignen publizistischen, künstlerischen, organisatorischen oder sonstigen Möglichkeiten für die Geltung der globalen Menschenrechte einzusetzen, sei es für Flüchtlinge, für bedrohte Gruppen oder den Klimaschutz.
Foote, Wilder: Hrsg., Servant of Peace: Eine Auswahl der Reden und Erklärungen von Dag Hammarskjöld, Generalsekretär der Vereinten Nationen 1953–1961, S. 128.
These 5 Garry Davis oder: Weltbürgertum im Alleingang
Im Zusammenhang mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte trat am 19. November 1948 auch die Weltbürgerbewegung als Besetzung der UN-Vollversammlung in Erscheinung. Unter dem Namen „Operation Oran“ von Albert Camus wurde eine Weltbürgererklärung verlesen, welche forderte, dass die Menschenrechte zu einem juristisch einklagbaren Weltrecht werden sollten. Initiator dieser Aktion war der 26-jährige Garry Davis.
Nach seiner Rückkehr aus dem Krieg folgerte Garry Davis 1947, dass die Wurzel des Krieges im Nationalstaat stecke. Inspiriert von Cord Meyers "Peace or Anarchy" entdeckte der ehemalige US-Bomberpilot als Alternative zum Krieg der Nationalstaaten eine Weltföderation als völkerrechtliches Mittel zum Weltfrieden. Am 25. Mai 1948 gab Davis im US-Konsulat in Paris seine Staatsbürgerschaft ab, um zu zeigen, dass „die Dominanz des Nationalstaats weder blutig bekämpft noch untertänig befolgt werden muss.“ Tatsächlich existiere er in Wahrheit nur in der Einbildungen jener, die ihn bekämpften oder verteidigten. „Wenn es mir gelänge, in dieser Welt wenigstens eine Zeit lang ohne nationalstaatliche Anerkennung zu überleben, dann hätte ich den Ausschließlichkeitsanspruch des Nationalstaats mitten ins Herz getroffen“, meinte Davis.
Albert Einstein beglückwünschte ihn dafür in einem Telegramm vom 3. Dezember 1948:
„Ich spreche mit Vergnügen dem jungen Kriegsveteranen Davis meine Anerkennung für sein Opfer zugunsten der Wohlfahrt der Menschheit aus. Indem der willentlich seine staatsbürgerlichen Rechte aufgab, machte er sich selbst zur staatenlosen Person, um für die natürlichen Rechte derer zu kämpfen, die stumme Zeugen des tiefen moralischen Standes unserer Zeit sind. … Eine übernationale Einrichtung, muss genug Kraft haben und unabhängig sein, um die Probleme der internationalen Sicherheit lösen zu können. Weder kann noch darf man diesen entscheidenden Schritt der Initiative den Regierungen überlassen: Nur der unbeugsame Wille des Volkes kann die Kräfte freisetzen, die für einen solch radikalen Bruch mit den alten und überlebten Traditionen der Politik nötig sind.“
Garry Davis, "In der Einen Welt zuhause – Die Odyssee des ersten Weltbürgers"
https://www.welt-buerger.org/bio_gdavis.php
​https://weltdemokratie.de/pdf/In_der_einen_Welt_Zuhause.pdf
These 6 Achille Mbembe oder Weltbürgertum gegen Nekropolitik
Der kamerunische Historiker und politische Philosoph Achille Mbembe definiert Kosmopolitismus als „Idee einer gemeinsamen Welt, einer gemeinsamen Humanität, einer Geschichte und einer Zukunft, die uns nur offensteht, wenn wir sie teilen“. Damit steht im Zentrum kosmopolitischen Denkens und Handelns die Frage, wie Differenz in der Gleichheit und Gleichheit in der Differenz möglich wird. Kulturelle Eigenheiten müssen nicht aufgegeben werden, wenn eine gemeinsame Vorstellung von Humanität für Fairness in der Vielfalt sorgt.
Mbembe schreibt:
„Ich gehe von der Idee aus, dass die Moderne der Ursprung mehrerer Konzepte von Souveränität war – und damit des Biopolitischen (d. h. der verschiedenen Formen von Macht über Leben und Tod). Ungeachtet dieser Vielfalt hat die spätmoderne politische Kritik leider normative Demokratietheorien bevorzugt und den Begriff der Vernunft zu einem der wichtigsten Elemente sowohl des Projekts der Moderne als auch des Topos der Souveränität gemacht. Aus dieser Perspektive ist der höchste Ausdruck der Souveränität die Schaffung allgemeiner Normen durch ein Gremium (den Demos), das sich aus freien und gleichberechtigten Männern und Frauen zusammensetzt. Diese Männer und Frauen werden als vollwertige Subjekte betrachtet, die zu Selbstverständnis, Selbstbewusstsein und Selbstdarstellung fähig sind. Politik wird daher als zweifach definiert: als ein Projekt der Autonomie und als das Erreichen einer Einigung innerhalb einer Gemeinschaft durch Kommunikation und Anerkennung.“
Mbembe zufolge ist Kosmopolitismus die „Idee einer gemeinsamen Welt, einer gemeinsamen Humanität, einer Geschichte und einer Zukunft, die uns nur offensteht, wenn wir sie teilen“.
Entstanden als Konkurrenzkonzept zum Nationalismus werden heute – wie im18. Jh. – verschiedene Konzepte des Kosmopolitismus diskutiert. Angesichts vielfältiger Migrationsformen können alternative Lesarten von Pluralität an die Stelle einer Kosmopolis gesetzt werden, indem gemeinsam geografische, kulturelle und soziale Orte definiert werden, die gesellschaftliche und multikulturelle Realitäten beschreiben.
Eine globale, kosmopolitische Demokratie existiert dann zumindestens auf moralischer Ebene als Sorge um die Welt, als wäre sie die eigene Polis. Auf diese Weise werden instutionelle Kontexte sekundär, anders, als wenn es um die Gestaltung eines Weltbürgerrechtes geht, um jene Menschen zu schützen, deren Heimatstaaten die Menschenrechte nicht achten. indem es die Menschenrechte zu Bürgerrechten aufwertet.
Das ermutigt dazu, interkulturelle und interreligiöse Schritte in Theorie und Praxis zu unternehmen, um Eurozentrismus und Stereotype zu vermeiden und Demokratie als eine Gemeinschaft des Lebens zu ermöglichen.
Achille Mbembe: Necropolitics, Public Culture (2003) 15 (1): 11–40.
Heinbach, G.: Kosmopolitismus – ein Ideal für die Europäische Union. Diss. Gießen 2014.
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